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Anschlagen

"Man hätte es sich anders gewünscht." So die Aussage, wenn man mit Bekannten und Freundinnen über die Zeit in der Schule spricht. Im Speziellen wenn es um die Handarbeitsstunde und deren Lehrinnen geht. 

Ich weiss nicht, warum das so ist, doch würde ich eine Strichliste anlegen, bei der diese Aussage getätigt wurde, käme ganz schön was zu Stande. Ebenso für die Aussage: "Ich habe seither nie mehr etwas gestrickt." Wobei sich das Nähen und Häkeln mit einreiht.

Auch von mir würde Strich stehen. Ich erinnere mich gut… und interessanterweise hat mir letzthin meine Freundin eine fast identische Geschichte erzählt, obwohl sie einige Jahre jünger und in einem ganz andern Ort zur Schule gegangen ist.

Folgendes hat sich vor unendlich vielen Jahren zugetragen.

Wir Mädchen erhielten je eine Strickanleitung, die passenden Wolle durften wir aussuchen und das Nadelspiel bei der Lehrerin abholen. Nun galt es nach genau diesem Beschrieb ein Paar Socken zu stricken. Die Kürzel der Anleitung wurden an der Wandtafel erläutert. So auch der Vermerk ausgesprochen, dass man bei Unklarheiten natürlich bei Frau Lehrerin nachfragen könne.

"Wir beginnen mit dem…" ich war beim Anblick der Beschreibung schon leicht überfordert und hörte die Frauenstimme sehr gedämpft in der Ferne. "Es ist ganz leicht..." war das nächste was ich wahrnahm.

GANZ EINFACH! Nicht für mich - manche Mädchen hatten von ihrer Mama schon gezeigt bekommen, wie man den Maschenanschlag machen musste. Ich nicht - Dies, obwohl Mama in ihrer wenigen Freizeit Puppen in aller Couleur und Grösse strickte, um sie als Zusatzeinkommen zu verkaufen. Die Wolle erhielt sie jeweils gratis aus dem Bekanntenkreis. Man nannte sie Resten Wolle - Nun lagen vor mir 2 Knäuel von einer Sorte und das Halten der Nadeln war für mich im Vergleich so kompliziert, wie später der Einstieg mit Chinesischen Stäbchen zu essen. Die Lehrerin erkannte rasch, dass es vielen Mädchen so ging wie mir...Ich erinnere mich nicht mehr, wie wir dann zu unseren Angeschlagenen Maschen kamen...doch daran, dass es bei der Meistzahl der Girls ab da Ratzfatz ging und eine erkennbare Sockenröhre mit Links rechts Maschen entstand. "Du musst nicht so verkrampft sein" hörte ich die Stimme der hinter mir stehenden Lehrerin "Viel lockerer - viel Lockerer" Ich wusste schon von was sie sprach, nur mit der Umsetzung war es so verflixt schwer. Ich konnte mir Mühe geben, wie ich wollte, meine Maschen waren so satt auf der Nadel, dass ich sie kaum hin und her schieben konnte.

"Das macht überhaupt keinen Spass" dachte ich und schon Bald schlich sich der Gedanke auf den Nachbarssitz, der sagte: "Vielleicht bist du wirklich so dumm wie Papa immer sagt." 

Ich weiss noch genau, dass ich frustriert nach Hause ging. Und es wurde mit keiner Handarbeitsstunde besser. Die Andern - ja eben die Andern...ungewollt zeigten sie mir auf, dass ich anscheinend zu blöd dazu war ein paar anständige Maschen hinzubekommen. Meine inzwischen entstandene Sockenröhre (auch Bündchen genannt) sah sehr uneben mässig aus. Ich die es gerne akkurat hatte. 

Mehr noch kam hinzu das die Lehrerin die Besseren zu fördern und die welche es nicht begriffen sich selbst zu überlassen. Oder sogar das gestrickte wieder aufzutrennen: "Das kannst du besser - gib dir doch mehr Mühe." Und Ratsch begann ich wieder von vorne.

Ich glaube sie hätte genauso sagen können: "Ab jetzt ist ein Elefant ein Esel." Nein - sie setzte noch einen Punkt obendrauf: "Für die welche mit den Socken (Mehrzahl - auch das noch) fertig sind, die dürfen zur Belohnung..." Ich würde lügen, wenn ich nun behaupten würde, ich wisse noch was sie durften. Doch ich weiss es war etwas ganz Tolles - etwas das ich auch wollte und mir auch bestimmt besser gelungen wäre. Frust - hatte ab da einen neuen Namen *Stricken - Handarbeit - Frau...* und ich, die sonst wirklich liebend gerne in die Schule ging, bekam beinahe Schweissausbrüche, wenn die Glocke zum Unterricht erklang.

"Frau...schauen sie - ich bekomme es einfach nicht hin." ich stand vor ihr, hielt ihr ein Nadel entgegen an dem etwas in Strick hin, etwas das so komisch hing und sich eigentlich Ferse nennen würde. Doch aussah wie ein schiefhängende Zunge. An einer Seite zusammengezogen, auf der andern Seite an viel zu langen Maschen. Heute muss ich darüber lachen!

"Also bei dir ist Hopfen und Malz verloren." Meinte sie mit einem strengen Blick und machte dabei einen ungeduldigen Seufzer. Genau dieser unterstrich die ganze Szene und gab mir das Gefühl unmöglich zu sein. Ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, dass die Tränen keine Chance zum Kullern erhielten. "Die andern sind schon bei der schönen Arbeit. Reiss dich mal zusammen."

Ich konnte keine *schöne* Arbeit beginnen, beendete nicht mal eine einzige Socke - schlimmer noch ich wurde von Frau ... ignoriert und damit habe ich nie stricken gelernt und dass obwohl ich mich zusammengerissen habe - was immer das auch heissen mag, (Wäre heute vielleicht ein Fall für den Kinder Anwalt – hahaha) Ich wollte doch um alles in der Welt das Gefühl von "Ich bin dumm" loswerden. 

Bis hier hin ähneln sich wie schon erwähnt ganz viele Erzählungen meiner Freundinnen und Bekannten. Wenn jemand nicht strickt oder handarbeitet, frag sie mal "Warum nicht?" meist kommt dann die ungeduldige, ungerechte oder böse Handarbeitsstunde zum Vorschein. Nun möchte ich erwähnen, dass ich damit die Handarbeitslehrerinnen Innung nicht an den Pranger stellen möchte, denn es gibt bestimmt auch ganz andere. Die fürsorglichen, hilfsbereiten, solche welche ein Flair besitzen ihren Job gerecht und einfühlsam zu verrichten und kleinen Mädchen und Jungs so vieles schönes beizubringen. Das wünsche ich mir zumindest für alle Kinder dieser Welt.

Meine Freude an Handarbeit im Generellen war jedoch mit meiner Erfahrung sehr gedämpft. Bis ich eines Tages im Erwachsenen Alter beschloss mir selbst zu beweisen, dass ich nicht zu dumm bin, um zu stricken.

Billige Wolle - falls es nichts wird - ein Spiel Bambusnadeln, dass es nicht so klappert wie einst in der Schule und viel Mut, zusammen mit einer Anleitung "Socken für Anfänger" machten es möglich. Ich versuchte es und nach einiger Zeit schenkte ich Schatz mein erstes Paar selbstgestrickte. Mein Fazit - ich bin klug genug - dass allein geschafft zu haben - zum Teufel mit der alten Erfahrung - und - das nächste Paar wird in meiner (damaligen) Grösse 37 und nicht in 44 für einen Mann. hahaha

 

Die Wolle im Laufe der Jahre wurde immer mehr.  Schöner, wertvoller und manchmal auch teurer. Die Werke von Schal, zu Pullover und Jacke. Dasselbe beim Häkeln und nun seit kurzem im Oma Alter, weil ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Stricken kann - beim Nähen. Das ist immer noch nicht einfach - doch ich bleibe am Ball - DENN ICH BRAUCHE KEINE HANDARBEITSLEHRERIN – Dazu an alle da draussen - muss man nicht alles glauben was einem gesagt wird und zur Überprüfung ist man nie zu Alt. Ach, und dann sage ich auch noch das: «man muss nicht alles können, um gut zu sein, sondern es ist gut, so wie man ist.» Das schrieb ich mir vor langer Zeit hinter die Ohren. Unter uns - es würde mir sehr gefallen, wenn meine Handarbeitslehrerin (Gott hab sie Seelig) diesen Blogeintrag lesen könnte. hahaha Jesssss!

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