
Ich erinnere mich gut. Es war so heiss, damals im Sommer, als ich etwa 9Jahre alt war. Es brannte gnadenlos die Sonne vom Himmel. Der Asphalt schlug Blasen und ich glaube die einzigen die es wirklich gut fanden, waren die Eidechsen in den aus Stein aufgeschichteten Mauern in den Rebbergen hinter dem Haus. Damals - hatten wir in diesem Kanton der Schweiz fast 12 Wochen Schulferien. Ich weiss gar nicht wie das heute ist.
Grad nachgeguckt heute sind es knappe 9. Damals war der Gedanke des Kantons, dass man entweder aus einem Bergbauernbetrieb kam oder dort helfen musste, um das Heu einzubringen oder man sollte sich irgendwo engagieren. So wurde es uns zumindest in der Schule erklärt. Auch war es keine Seltenheit, dass Hitzefrei und im Winter bei zu viel Schnee Schulfrei ausgerufen wurde. Dort in dem Berg- und Talkanton.
Wir kannten keinen Bergbauer, also hiess es über die ganze Dauer zu Hause zu sein. In Urlaub fahren - das gab die Haushaltskasse nicht her. Arme Mama - 2 Kinder die so viel Fantasie besassen wie ein Dutzend Rabauken. Wären da nicht noch andere Kinder hinter dem Haus bei der Garagenzeile jeden Nachmittag zugange gewesen, hätte man echt Mitleid mit ihr haben können.
Jemand brachte irgendwann mal 2 Landhockey Stecken mit und blitzartig wurde der vorgängig gespielte Fussball damit abgelöst. Es wurden immer mehr Kinder, mit immer mehr Hockey Stöcken. Ob Eis - oder Landstock, das war Wurst. Manche spielten einfach auch mit einem Ast. Die Garagentore stellten wunderbare Goals dar und wenn man getroffen hatte, paarte sich der Aufschrei der Gewinner beinahe zeitgleich mit dem Knall gegen das Metall.
Ich liebte es ausserdem, wenn niemand zum Spielen anwesend war, stundenlang meinen kleinen bunten Ball, den ich von Oma geschenkt bekommen habe, gegen die weisse Wand des Hauses zu schmeissen. Während er flog in die Hände zu klatschen, um ihn dann zurückkehrend wieder zu fangen. Die Steigerung - zu werfen - zu klatschen und mich, um mich selbst zu drehen - gelang mir auch schon ganz gut. Natürlich zog ich dafür das von Papa geschenkte Röckchen an. Jenes das sich beim raschen Drehen so schön ausbreitete.
Waren nur Mädchen anwesend spielten wir Gummitwist oder wir schaukelten abwechslungsweise im Garten des Nachbarhauses zwischen den alten Bäumen. Das liebte ich und ich wünschte mir oft eine eigene Schaukel, die ich nicht nur auf Zeit teilen musste.
Es war für mich und bestimmt für meinen Bruder sowas wie das Paradies. Denn von Basel hierhergezogen, wo wir so was nicht kennengelernt hatten, fühlten wir uns nach einigen Handfesten Einstiegsschwierigkeiten im Bergkanton, aus denen blaue Flecken und Beulen hervor gingen, wohl. Vorbei waren der Zwist und die Erinnerung an blutende Nasen, nun in friedlicher Gemeinsamkeit spielend und endlich akzeptiert.
Es wurden Tretroller ausgetauscht, Fussbälle ausgeliehen, sowie Torwart Ausrüstungen und manchmal bekamen wir auch einen Fünfermocken (ein grosses Kaubonbon das eben 5 Rappen kostete) geschenkt. Man ging gemeinsam auf Exkursion in den Reben, suchte nach Schlangen und ärgerte Eidechsen, bis sie ihren Schwanz fallen liessen oder fing Schmetterlinge im Einmachglas, um sie später wieder freizulassen und dieses nun mit einem Käfer oder einer Gottesanbeterin zu bestücken. Hin und wieder zahlte jemand der fremden Eltern eine Eisschleckrunde. Dann fielen wir in dem kleinen Tante Emma laden in unserem Wohnblock, dort wo wir immer einschreiben liessen (wie so viele andere auch) wie kleine Räuber über die Tiefkühltruhe her. Die Besitzerin - an deren Name ich mich nicht mehr erinnere - eine Madame…? die von uns immer höflich mit dem Namen begrüsst wurde, versuchte in dem Haufen von Gewusel die Übersicht nicht zu verlieren. Streng wollte sie scheinen, doch in ihrem lieben rundlichen Gesicht, sass immer ein kleines Lächeln. Wir mochten sie sehr.
Eine Erinnerung bleibt wie eingemeisselt und viel realer- bunter - in meinem Kopf. Es muss meiner Recherche nach der Sommer 1968 gewesen sein... (nein - nicht Brian Adams Summer of 69 - hahaha) Da war es sooooo heiss - wir kamen aus der Badehose gar nicht mehr raus und dies, ohne eine Bademöglichkeit zu haben. Quark wurde uns abends auf die roten Schultern und den Nasenrücken gestrichen, um dann einige Tage später uns gegenseitig die Haut abzuziehen. *hahaha wie Schlangen* lachten wir. Barfuss gehen war nicht möglich - zu hot! Der Teer war wie schon erwähnt Blasen und es roch unangenehm.
Alle Welt schrie nach Regen. In den Nachrichten im Radio war es ein Dauer Thema. Da kam meinem Bruder die geniale Idee, doch einen Regentanz aufzuführen. Er wisse genau wie das ginge, das hätte er schliesslich im TV (schwarz- weiss) gesehen. Er behauptete, dass das Winnetou Volk dies auch tun würde. Winnetou – so sollte mal mein Mann aussehen… hahaha
Wir fanden uns auf der Strasse ein, um auf den Parkplätzen unter den Birken und vor Madames kleinem Laden den Regengott zu bezirzen. Das sei der beste Ort. Meinte er wichtigtuerisch.
Mit einem Sing sang und den Oberkörper hin und her wiegend, während wir von einem Bein auf das andere hüpften, ging das Ganze los. Ich schwöre - es war keine Wolke am Himmel zu sehen. Blau so weit das Auge reichte. Die Strasse auf Grund der Hitze Menschenleer und flirrend. Nur wir und der grosse Regengott der nirgends, ausser in unseren Köpfen, zu sehen war.
Nach einiger Zeit kam Papa von der Arbeit daher. "Was macht ihr für ein Spektakel - man muss sich ja schämen." Wir mussten nach oben in den 3 Stock in unsere Zimmer. Einige Zeit später hörten wir Donner grollen. Kurzdarauf verdunkelte sich der Himmel. Lösend vom Nasen platt drücken am Fenster, rannten wir die Treppen runter und sprangen staunend zu unserem Tanz Ort vor dem Haus. Und dann fielen auch schon die ersten grossen Tropfen. Minuten später goss es wie aus Kübeln - wir waren nicht mehr zu bändigen. Mein Bruder schrie: "Nun müssen wir einen Danke Tanz machen." und das taten wir dann auch. Bald sprangen wir in Pfützen auf denen grosse Blasen schwammen, um zu platzen und wieder neue entstehen zu lassen. Es tat so gut – das Wasser auf unseren schmächtigen Kinderkörpern und wir fühlten uns so glücklich, weil unser Vorhaben funktioniert hat. Wir hatten einen Draht zum Regengott – was für ein Erlebnis.
Vorgestern Abend wir sassen draussen - es zog nach einem heissen Tag ein frisches Lüftchen. Aaaahhhh! wie gut das tat! Die Meldungen in den Medien dieselben wie 1968 "Der Boden im Garten bekommt wieder Risse, es ist viel zu trocken." erzählte ich Schatz. "Und die Regenfässer, die ich zum Wässern benutze, sind beinahe leer» Er machte ein betroffenes Gesicht. "Soll ich ein Regengott Tänzchen machen?" Schatz schaute mich schmunzelnd an "Ich weiss, wie das geht." hahaha und dann wollte ich ihm die Geschichte, jene von 68 erzählen, doch ich liess es, schliesslich kennt er sie mittlerweile in und auswendig. «Ja – Ja – der Regengott und ich.» hahaha sagte ich mir schmunzelnd.
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