
Auch wenn ich am liebsten jeden Tag in Schwarz oder zumindest dunklen Farben gekleidet durchs Leben gehe, schlägt mein Herz für Farbe. Und so ruft seit Monaten, ach - was sag ich - seit Jahren die bunten Resten Stoffe erst aus einer alten Truhe und seit einigen Wochen aus dem Wäschekorb in meinem Büro Parat gestellt. Es muss doch möglich sein, dass ich endlich mit ü60 meinen inneren Schweinhund überwinde. Doch für dieses Projekt fühlt es sich an, als müsste ich ein ganzes Rudel an besagten Hunden beiseiteschieben.
Woher mein Respekt vor Schnitte in Stoffe, die Unlust an einer Maschine akkurat zu arbeiten herrührt? Ich weiss es nicht. Ich gebe mal der Handarbeitslehrerin aus der Schulzeit die Schuld, damit ich wenigsten ein logisch wirkendes Argument vorweisen kann. Sie hat uns damals ein schreckliches Schnittmuster aufs Auge gedrückt. Mit hellblauem Stoff und riesigen Margeriten darauf, so dass wir am Ende alle denselben bodenlangen Rock hätten.
Es kommt noch schlimmer... zumindest für mich als damals dreizehneinhalbjähriges Girl...wir wurden aufgefordert genau diesen Rock zur Schulabschlussfeier zu tragen. Alle Mädchen dieser Klasse und das waren 12 mit mir 13… Nun weiss ich endlich auch, warum ich diese Zahl lange Jahre als meine Unglückszahl gesehen habe. Genau - die Lehrerin ist schuld –
Kannst du dir vorstellen, wie es aussieht, wenn in einem Partyraum im Blaulicht 13 Mädchen, mollig, gross, klein, breit und dünn mit solchen Blumen, die grell erhellt strahlen, tanzen? Da braucht man keine Drogen mehr. hahaha Es flirrte an jeder Ecke und im ganzen Raum. Das schlimmste, man sah keine Jungs mehr. Das wäre in diesem Alter wirklich wichtig gewesen. hahaha ausgelöscht durch Margeriten...hahaha
Ich glaubte, es gäbe keine Steigerung mehr von dem Blumen Desaster...HA HA HA doch falsch gedacht. Die kam in Form eines angesäuselter Lehrers, der mich zum Tanz aufforderte und dann erklärte: "Es ist mir nie aufgefallen, wie schön du bist." (Nerv und Kopfschüttelnd) Spätestens jetzt ist es amtlich - die Schule und der blaue Rock ist schuld an meiner Nähsperre. (nicht wirklich - hahaha)
Doch man wird älter und die Ängste, Vorhaben und der Frust wird durch Lebensmottos abgelöst. Und so darf meines auch vor ein bisschen Stoff...(wuäääää! ein ganzer Korb voll - oh mein Gott) nicht Halt machen. Ich möchte nicht eines Tages in die Kiste hüpfen und sagen müssen: "vieles habe ich geschafft, doch vor Näharbeiten habe ich resigniert." Nein, das geht gar nicht! Erklärte ich meiner Tante, die über diese Aussage herzhaft lachen musste.
So fasste ich mir vor ein paar Tagen ein Herz, räumte in meinem Büro meine Kommodenfläche frei und richtete dort einen Platz zum Zuschneiden ein. Kaufte mir eine gute Schere. Passend zu meinem Nähverhältnis in Pechschwarz – hahaha - einen Rollschneider, ein spezielles Mass. Man höre und staune, ich holte Schatzes Nähmaschine hervor und die kleine Zubehörbox. Mein Büro wirkte für mein Empfinden wie ein kleines Nähatelier. Ein Design Atelier – wie geil! Wenn da nur das Nähen nicht wär. hahaha
Dann schnitt ich mit dem Rollmesser beherzt einige gerade Teile in einem Rot, Gold und Beige gemusterten Stoff zu. Ich muss sagen, dass macht mit diesem Messer echt Spass. Wahrscheinlich klappte es deswegen so gut und ich dachte: "Das kann doch jeder." hahaha Und genau in dem Moment fiel mit einem Riesenknall die kleine Box, welche sich nun riesig anhörte zu Boden. Tausende von Stecknadeln, Nähnadeln, Fadenspulen und Ach! da ist sie ja die Schneiderkreide lagen rund um die immer noch schlafende Naya. Sie ist halt überall dabei und macht gerne Nickerchen, wenn ich werke. Hochmut kommt vor dem (Boxen-) Fall – dass sah ich nun mit eigenen Augen.
Naya hob den Kopf: "Liegen bleiben." Sie liess den Kopf nach meiner Ansage wieder zurücksinken und schlief weiter. Ich hob mittels kleinem Magnet alles auf. In meinem Kopf schlich sich der Gedanke heran: "Das ist ein schlechtes Zeichen, vielleicht solltest du es mit dem Nähen sein lassen.
Ok - für heute hatte ich genug! Doch einfach aufgeben...das gibt es nicht. Weg - weg - weg - mit dem Negativgedanken.
Gestern Anlauf zwei - Maschine installiert. Kurze Zeit später nähte ich 2 Teile zusammen. Ich war richtig stolz, wie gerade die Nähte geworden sind. Ich erhob mich vom Stuhl und ging zu meiner Zuschneide Fläche, denn dort hatte ich Kirschkerne parat gelegt, welche nun auf das Einfüllen warteten. Sie rollten munter in den Öffnungsschlitz, als hinter mir ein komisches Geräusch zu vernehmen war. "Hä? was ist denn das?" sagte ich zu mir. So laut, dass Naya sich angesprochen fühlte. Und dann erblickte ich eine Rauchwolke, die immer heftiger wurde. Aus der Strom Steckverbindung an der Maschine zischte es hörbar. Es stank nach verbranntem irgendwas. Und selbst als ich den Stecker an der Dose in der Wand gezogen hatte, rauchte es wunderschön in Weiss/grauen Schwaden weiter.
"Ist das ein schlechtes Zeichen?" und "Könnte ich für eine Weile deine Maschine ausleihen?" fragte ich meine Freundin am Telefon, der ich das ganze Unglück erzählt hatte. "Natürlich in der Hoffnung, dass diese nicht auch zu Rauchen beginnt." wir lachten erneut. Während wir noch etwas darüber frotzelten, wurde mir bewusst, dass diese Maschine von Schatz vor 40 Jahren für mich gekauft worden war. Doch weil ich mich weigerte seine Arbeitshosen mit diesem Teufelsding zu flicken, (du weisst die Schule ist schuld) nahm er das selbst in die Hand. Oder besser gesagt unter die Nähnadel. Hosen gekürzt, enger gemacht, später ausgelassen, Männer Gürteltaschen genäht, sowie riesige und kleine Lenkdrachen. Schatz war mein Held der Nähmaschine, wenn es darum ging Vorhänge zu kürzen oder etwas wieder mit Nadel und Faden in Ordnung zu bringen.
Und nun – alles vorbei? Denkste - 2 Stunden später bestellte ich eine günstige, doch mit einem sehr gutem Testergebnis dotierte und Anwenderfreundliche Nähmaschine. Sie wird heute geliefert und das Beseitigen meines inneren Schweinehundes geht in die nächste Phase. Apropos – Schatz, meinte zu der Bestellung: «Es freut mich echt, dass du so entscheidungsfreudig bist» Trotzdem nahm er heute seine defekte Maschine mit, um sie zur Ansicht bei einem Fachmann zu bringen. Vielleicht kann man die Altersschwache noch in Ordnung bringen. hahaha Wie heisst es so schön – gib die Hoffnung nie auf! Schatz ist seit gestern Abend um ein und das erste selbst genähte Kirschkernsäckchen zur Kühlung seines schmerzenden Fusses reicher. Jeeeehh – ich habe mein erstes Teil geschafft!
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