
Manchmal kommen durch irgendein Wort, Geruch oder Geräusch Erinnerungen hoch...Sie werden in den folgenden Stunden immer klarer und bunter. Und irgendwann ist eine dieser Erinnerungen komplett, so als hätte man ein Puzzle fertiggestellt. Das letzte Stück ist gesetzt.
So passiert heute Morgen als ich aufwachte. Doch der Trigger lieferte mir gestern eine liebe Freundin mit dieser Erzählung.
"Als mein Bub noch klein war, kam er eines Tages mit einer Riesenhose vom Turnunterricht. Auf das verdutzte Gesicht von mir, erzählte er... er sei der letzte nach dem Sportunterricht gewesen und dann sei in der Umkleide nur noch diese grosse Hose übriggeblieben."
Wir lachten und sie sagte: Das Bild meines Sohnes in dieser Riesenhose war ja schon eines für Götter, doch die Vorstellung, dass jemand mit einer viel...wirklich viel zu kleinen Hose nachhause gegangen ist, brachte mich fast noch mehr zum Lachen."
Auch wir befanden uns kurzzeitig in einem Lachflash und erzählten uns anschliessend noch weitere lustige Momente, die man mit Vertauschen von Gegenständen erlebt hatte.
Und da geschah es - ich erinnerte ich mich plötzlich ganz schwach an die Kinderzeit als wir noch in der Stadt wohnten. In einer Souterrain Wohnung mit wenig Tageslicht. Mama war bemüht, dass wir frische Luft, jedoch vor allem Sonne tanken konnten. So tippelten wir öfters in einen Park. Ein riesiger Park - zumindest für mich. Der Weg dorthin, ist mir nur im Sommer in Erinnerung. Er führte erst durch Quartierstrassen, mit den typischen hohen alten Mehrfamilienhäuser mit den winzigen Vorgärtchen. Jene mit den niedrigen Mauern und den Eisenzäunen. Immer wieder mal Hortensien links und rechts der Eingangstüre. Vielleicht rührt daher meine Vorliebe für diese Pflanze. Angefixt als kleines Mädchen ab dem 3 Lebensjahr - hahaha
Weiter ging es an einem Herren Coiffeur vorbei und an einem Tante Emmaladen um dann... ja dann, über den Horror Platz unserer Kindheit zu gehen. Dort wo viele Autos fuhren, sowie die Trambahn und der Bus. Ach - mein Bruder und ich hatten jedes Mal Angst davor. Die letzte Hürde vor dem eigentlichen Ziel. Mamas Angst, dass uns im Park die Schuhe gestohlen werden könnten, wenn wir uns im Wasserbecken aufhielten, liess uns ohne Sandalen über diese stark befahrene Stelle gehen. Im Sommer war der Asphalt brütend heiss. Manchmal mussten wir weinen, dann hielten die Autos und liessen uns einen Fussgängerstreifen weiter. Ansonsten hüpften wir beim Warten auf der Stelle, wir schrien "Au Au Au" und Mama erklärte wie beim letzten und dem nächsten Mal und alle Male "Wir haben es bald geschafft" Ich wusste jetzt schon, dass wir abends die Füsse mit Butter eingestrichen bekamen, um den Teer zu entfernen.
Wie angenehm war dann vorerst das kalte Wasser in dem meistüberfüllten Beton Becken im grossen Park. Mir war es damals schon zu viel - ich mochte keine Ansammlungen von Menschen und schon gar nicht von andern Kindern. Die für mich so unkontrolliert mit Wasser spritzten, schrien und andere Kinder stiessen. So kam es, dass ich in dem nicht hohen Wasserbecken eines Nachmittags glaubte ertrinken zu müssen. Mein Kopf war plötzlich unter Wasser, ich sah viele Beine, die zappelten und die Worte hören sich so dumpf an. Irgendwie schön - weil leiser, wäre da nicht das Problem mit der Luft gewesen. Und dass ich irgendwie die Orientierung verloren hatte. Ich wusste nicht mehr was oben oder unten war. Plötzlich riss mich jemand hoch und ich schnappte wie ein Fisch auf dem trockenen nach Luft. Begleitet von einem unangenehmen Husten. Natürlich hatte ich Wasser geschluckt. IIIIIIhhhh Wasser, in dem so viele Kinderfüsse gezappelt hatten und das eine oder andere... Notwendige losgelassen wurde. Das war für mich so etwas ekliges, dass ich ab dann meist nur auf einem grossen Stein sass und dem Treiben zu guckte. Übrigens nicht das letzte Mal mit dem beinahe ertrinken. Es reihten sich noch weitere ähnliche Erlebnisse in meinen Lebensfaden. Ich glaube irgendwer hat mein Drehbuch falsch geschrieben. Wasser und ich - wir werden keine Freunde, zumindest wenn es über das Duschen oder eine Regenschauer hinaus geht. Ich kann bis heute nicht schwimmen. Obwohl im Sternzeichen Jungfrau - eben keine Meerjungfrau und der Aszendent Wassermann - er lebt in meiner Welt wohl auch auf dem Trockenen. hahaha
Es war für mich nicht schlimm meine Zeit ausserhalb des Wasserbeckens zu verbringen. "Komm Angeli - geh doch auch ins Wasser." hörte ich meine Mama sagen. "Du hast doch nun so eine hübsche Badehose an." Doch ich blieb lieber in meiner Badehose mit der Rüsche dran auf einem grossen Stein sitzen. Manchmal ging ich vorsichtig an den Rand des Wassers, dort wo es ganz flach dümpelte, und nahm mit meinem Eimerchen ein bisschen Wasser, um einen Baum in der Nähe zu giessen. Ja – hier entdeckte wohl die Liebe zu den Bäumen. Der Anblick der alten dicken Riesen hatte für mich so was Beruhigendes. Das Gefühl war so ähnlich wie bei Oma oder Opa zuhause.
Wenn ich mir Mühe gab, so konnte ich mir sogar vorstellen, dass ich ein Vogel sei. Hoch oben im Wipfel, über all den Kindern...den tratschenden Müttern und dem unberechenbaren Wasserbecken. Ich sah meinen Bruder, der mal wieder den Showman gab. Meine Mama die durchatmend auf der Parkbank sass und die Wasserspeienden Tiere aus Metall mit Blankgescheuerten Kupferstellen, die das Becken mit kleinen Fontänen aus dem Maul, versorgten. Meine neue Welt war hübsch. leiser und wie für mich gemacht. Manchmal auch spannend, weil Kleider oder Schuhe verschwunden oder aus Versehen vertauscht worden waren. Doch am aller schönsten fand ich es, wenn der Wind durch die hohen Wipfel sauste, und die Blätter ihre Unterseite zeigten. Dann wenn Eltern ihre Kinder rasch trockenrubbelten und später angekleidet verschwanden, dann gefiel es mir am besten. Der Park wurde leise, das Becken immer freundlicher, weil leer… und wenn Mama sagte: "Kommt zieht euch an - wir gehen nun auch nach Hause." dann freute ich mich schon auf das nächste Mal.
Und nun kommt mir grad die Idee...
Bei unseren Ferien Zettelchen (siehe Blogeintrag vom 23.05.22) die wir nun jeden Tag, für den nächst folgenden ziehen, fehlt eindeutig ein Besuch in diesem Park. Ich war seit 56 Jahren nicht mehr dort. Na - was sagst du Schatz? Magst du mich begleiten?
(Das heutige Bild wurde in meinem Lieblingspark in Laval in der Bretagne gemacht)
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